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Nordkurier, Artikel vom 17.06.2005

Moment des Wimpernschlags

Von Jürgen Tremper

Neubrandenburg. Ein nachdenklicher Professor Rolf-Hermann Geller im Porträt. Der rote Rah-men assoziiert einen Blick durch den Sucher einer Kamera. Das SchwarzWeiß-Foto umrahmt eine geheimnisvolle Schrift in Rot. Nebenan strahlt seine Kollegin Ulrike Hanke Begnadung aus. Sie ist die Initiatorin des Projekts „Schrift der Engel“ zur schöpferischen Selbstanregung der Studierenden an der Fachhochschule Neubrandenburg. Autor der Porträtfotos ist Robert Krokowski (Jahrgang 1955) als Mitwirkender und Dokumentierender. In dieser Doppelrolle folgt der Berliner Lichtbildner den Spielspuren von etwa vierzig Studenten und Absolventen, aber auch seinen eigenen.

Seit den 70er Jahren beschäftigt ihn das Thema der Schrift der Engel. Vor fünf Jahren hat er den Schriftzug – inspiriert von fremden, nicht konkret zuzuordnenden Zeichen – entwickelt und 2002 als Handschrift wie auch als Font fertig gestellt. Zugleich entstanden die ersten Fotoserien zum Thema.

Um Wörtern der neuen Schrift eine Bedeutung und somit der Schrift einen Sinn zu geben, hat jeder Porträtierte fünf Wörter erhalten. Deren Annäherung und Auslegung findet sich in den 30 präsentierten Bildpaaren wieder. Wie der Autor schaut der Betrachter durch die grafische Anmutung eines Kamerasuchers auf die Porträtierten. Die Schriftfarbe Rot mischt Krokowski mit einem geringfügigen Anteil in das Weiß seiner Lichtbilder und gibt ihnen die zarte Aura von Arbeiten mit Leidenschaft. Die Schrift der Engel umrahmt das Bild, taucht aber auch auf Körper, Arm, Bauch oder im Gesicht der Abgebildeten auf. Auf der Klaviatur seiner Gestaltungsmöglich-keiten bedient sich der Künstler leichter Unschärfen, wenn es um die Objekte in den Händen geht.

In den Rahmen bauen sich zwischen den vier Porträts, vereint zu zwei Bildpaaren, Spannungen auf. Von oben nach unten oder mal von rechts nach links. Die Ausstellung wird zum Resonanz-boden einer transmedialen Aktion, die am kommenden Donnerstag ihre nächste öffentliche Darstellung anlässlich der Eröffnung des Theaterlabors erfahren wird.

Engel erscheinen in Projekt und Exposition sowohl als himmlische Boten als auch als schwarze Teufelchen. Nach Auskunft des Fotografen werden die Porträtierten in unterschiedlicher Weise „mit Licht beschrieben. Als Personen und Akteure, als Träger von roten Körperbemalungen, als Gebende und Nehmende, als Fragende und Antwortende, die im Moment des Ereignisses die Augen aufschlagen und mit Licht und Bedeutungseffekten der Farbe Rot konfrontiert werden.“

Krokowski formuliert überzeugend das Wechselspiel von Leben und Kunst, Natürlichkeit und Spiel. Sein moderner fotografischer Duktus verbindet verständig Inneres und Äußeres, entfaltet erfinderisches Tätigsein junger Leute in Momentaufnahmen. Die sinnliche Wahrnehmung einer emotionalen Welt, ihr Entwurf und ihre Gestaltung ist der eigentliche Gegenstand solcher Bild-kunst. Dafür durchstößt der Lichtbildner Grenzen der klassischen Porträtfotografie, lotet die Spielräume digitaler Aufnahme und Nachbearbeitung aus. Krokowski nimmt intelligent Anleihen bei der Filmmontage, beim kreativen Zusammensetzen geschnittener Sequenzen. Beispiels-weise wird der Blick einer Studentin aufgenommen und bis zum Lidaufschlag verfolgt, fixiert und beigefügt. So gelingt es, ästhetische Selbstbildung und vor allem fördernde Atmosphäre spannend zu visualisieren.

Berührend ist die perfekte Übereinstimmung zwischen professioneller Handhabung des Mediums und sensibler Sicht der Realität. Im Ergebnis solch intensiver künstlerischer Arbeit des Foto-grafen „schwebt“ vitale Kreativität durch die Gänge der Hochschulgalerie. Lernen ist vor allem Vorfreude auf sich selbst. Ob das die Botschaft dieser Fotografien ist?

Fotoausstellung „Die Schrift der Engel: Momente“ bis 30. Juni im oberen Foyer der Fachhochschule Neubrandenburg.